Sonntag, 17. Juli 2011

Mein schwarze Seite: Das Amphi Festival.

2008 fing alles an. Meine Freundin, die ihr Leben ganz der Gothic-Szene widmet, rief mich an und teilte mir mit, ihre Freundin würde sich bei ihr nicht melden und sie hätte doch ein Wochendticket für das Amphi-Festival übrig und niemanden, der mit ihr kommt. Ob ich nicht Lust hätte, mitzukommen. Ich überlegte nicht lange. Viel Erfahrung, was man zu so einem Event anzieht und was da noch so musikalisch auf mich zukommt, hatte ich zu dieser Zeit nicht. Ich hatte gerade erst begonnen, in die Welt der modernen Mittelalter-Musik einzutauchen. Natürlich gibt es hier auch Überschneidungen, aber musikalisch liegen Gothic und Mittelalter trotz großer Vielfalt eher weit auseinander. Während es bei der Mittelalter/bzw. Mittelalterrockmusik doch eher noch um einzelne mittelalterliche Instrumente und aussagekräftige Texte geht (und sehr fröhliches Volk auf den Events), kommt so manche Gothic-Band auch schon mal mit einfachen Beats aus dem Computer, wenig Text und wenig Instrumenten aus. Allerdings gibt auf beiden Seiten auch immer wieder gravierende Unterschiede und auch Überschneidungen.

Ich überlegte also nicht lange und sammelte aus meinem Kleiderschrank eine schwarze Samthose, ein schwarzes Oberteil und schwarze Chucks - recht unauffällig, aber auch nicht unauthentisch. Meine Freundin kann da natürlich mit einer großen Auswahl an den tollsten und aufwendigsten Outfits glänzen. Corsagen sind das wohl häufigst getragene Kleidungsstück, Stiefel, Röcke, Strumpfhosen, aber auch immer wieder unterschiedliche Wäschestücke, Hüte und eine unglaubliche Vielfalt an kleinen Details und ideenreichen Kombinationen. Wer bislang dachte, es ist halt alles schwarz, der irrt. Allein die Tatsache, mit welchen Stoffen, in welchen Formen und mit welchen Farbkombinationen schwarze Kleidung entworfen und zusammengestellt werden kann, ist schier unglaublich. Schließlich heißt das Motto auf solchen Veranstaltungen : "Sehen und gesehen werden". ;-)

Soviel Kreativität, die mir dort entgegenschlägt, finde ich höchstens auf Fantasycons oder auch schon mal Mittelaltermärkten. Abgesehen mal von dem Mut und der hohen Akzeptanz freizügiger und ungewöhnlicher Outfits. Aber die Gothicscene erfindet sich doch immer wieder aufs Neue. Natürlich werden Trends gesetzt. Immer wieder erscheinen neue Stile, Farben, Uniformen, Berufskleidung wie sie Krankenschwestern oder Stewardessen tragen. Es gibt aber auch dazwischen immer wieder einige, die eher der Jeans- und T-Shirt Fraktion angehören. Nicht jeder schmeißt sich für so ein Festival grundlegend in Schale. Und damit sollte es auch keinen Druck erzeugen. Natürlich erschlägt mich diese Vielfalt auf meinem ersten Festivalbesuch etwas. Ich bemühe mich, mir mein Erstaunen, aber auch mein "Fremdheitsgefühl" nicht so anmerken zu lassen. Aber man kann es so gar nicht verhindern, dass man immer wieder gegenseitig auf bestimmte Personen mit auffälligen oder interessanten Outfits hinweist. Ich denke schon, dass da innerlich bei vielen Vergleiche stattfinden, wie man sich selbst empfindet und wie die anderen.

Natürlich ist so ein Event ein Mekka für Fotografen. Viele suchen sich die schönsten und interessantesten Personen heraus und fragen sie, ob sie sich fotografieren lassen möchten. Viele sind darauf vorbereitet und posten gerne für die Fotografen. Die Sammlung solcher Festivalfotos findet sich dann oftmals auf bestimmten Seiten wieder, damit der- oder diejenige sich auch selbst einmal "sehen" kann.

Die ersten Bands, die wir beim Amphi 2008 sehen, reißen mich allerdings noch nicht vom Hocker. Sie sind sehr elektronisch, erinnern mich an eine Mischung aus Depeche Mode und modernen Technobeats. Aber natürlich führen sie bei den Zuhörern vom einfachen Mitwippen bis zum Tanzen und das bleibt für mich auch die Intention dieser Art von Musik. Rockiger wird es später mit der Band "Oomph!", die von Anfang eine Faszination auf mich ausübt. Mir gefallen einige Texte und zudem die nicht ganz elektronische Musik. Mit "Augen Auf!" landeten sie 2004 einen Charthit und gelten deshalb eher als kommerziell. Sie lassen sich laut Wikipedia auch musikalisch nicht ganz einem bestimmten Stil zuordnen, gehören aber dennoch in den Gothicbereich.

2008 standen auf dem Line Up auch "Deine Lakaien", eine Kultband in der Szene, die elektronische Klänge mit Streichern verbindet. Es gibt sie bereits seit 1985 und der Sänger Alexander Veljanov hat eine markante tiefe Stimme, die beruhigend, aber auch aufrüttelnd wirken kann. Schon 2008 ging ihre Musik nicht an mir vorbei, doch beim Amphi 2011 verfolgte ich sie aufmerksamer und verlor mich doch in einigen der wunderschönen Melodien mit den Chello- und Geigeneinlagen. Mir fiel auf, dass die elektronischen Sounds und Pianoklänge mit den klassischen Instrumenten zum Großteil harmonierten. Auch wenn die tiefe Stimme des Sängers eine ganz eigene melancholische Stimmung erzeugt, wurde ich an der einen oder anderen Stelle deutlich an die Kammerpop-Band "Naked Raven" erinnert, die durchaus experimentelle Popmusik mit Chello und Geige gewisse Ähnlichkeit aufwies. Die beiden Bands gehören verschiedenen Genres an. Aber letzlich spielt das bei meinem vielfältigen Musikgeschmack überhaupt keine Rolle. Das Konzert 2011 endete jedenfalls mit einigen tollen Zugaben und hat mir sehr gut gefallen.

Neben der Musik gibt es auf dem Amphifestival auch schon mal ein schönes Alternativprogramm wie Vorträge oder Buchvorstellungen. Zu Beginn schauten wir uns einen Vortrag des Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke an, der einige spannende Details aus seiner Arbeit vorstellte. Dabei wurde z. B. Hitlers Schädel genauer untersucht und einige Fragen, die bei der Arbeit aufkamen, geklärt. Beneke erklärte seine doch z. T. sehr skurrile Arbeit mit Schädeln und Leichenteilen so gewitzt, dass bei dem Thema sich so gar keine "Düsterstimmung" einstellte. Er unterlegte seinen Vortrag mit zum Teil witzigen und interessanten Fotos und bezog auch seine Lebensgefährtin, eine studierte Psychologin, in den Vortrag mitein.

Das Wetter spielte bei dem diesjährigen Amphi leider nicht ganz so gut mit. Der Samstag begann zwar warm und trocken, im Laufe des Tages zog es sich jedoch immer mehr zu und Regen setzte ein. Die Tour ums Gelände mit seinen vielen Ständen mit Kleidung, Accessoires, Musikcd's, Merchandise und Getränken und Gastronomie wurde mit Schirm beschritten. Meine Freundin kaufte sich dann auch einen großen wunderschönen schwarzen Schirm, unter dem zwei Personen Platz hatten. Gegessen habe ich dann ein paar asiatische Nudeln - natürlich auch unterm Schirm. ;-)

Außer den Lakaien sah ich zudem noch die Band "Tanzwut", die eine Mischung aus Elektronik und Mittelalter-Elementen spielt, "die Krupps" und ein paar Stücke von "Samsas Traum". Eigentlich stand an diesem Samstag ursprünglich "Subway to sally" auf dem Programm. Die mittelalterliche Rockband wurde aber auf den Sonntag verschoben. Da ich aber nur über eine Tageskarte verfügte, war es mir nicht möglich die Band zu sehen. Ich hoffe, es kommt noch die eine oder andere Gelegenheit für ein Konzert.

Zum Schluss standen wir jedenfalls im Trockenen unter den Dächern des Kölner Tanzbrunnens, hatten einige skurrile aber auch nette Begegnungen, Bekannte wiedergetroffen, andere verloren und uns sehr viel ausgetauscht. Nächstes Jahr stehen die "Sisters of Mercy" auf dem Programm und ich hoffe sehr, dass ich wieder mit von der Partie(y) sein kann!

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