Montag, 25. Juni 2012

Eine ganz besondere Sommersonnenwende

Zur Sommersonnenwende lasse ich mir für meine Freundinnen immer etwas Besonderes einfallen. Die Tage sind so lang, dass man sie richtig nutzen kann und sich in der Natur ein besonderes Plätzchen suchen kann. Vor vielen Jahren war ich mit zwei Freundinnen an der Steilwand des Stenzelberges, der eine ganz eigene Stimmung zauberte. Dort erlebten wir ein nahendes Gewitter, das wir in der Ferne erkennen konnten, das uns jedoch nicht erreichte. Zudem war es abenteuerlich, auf diesen Berg herauf und auch nachts im Dunkeln wieder herunter zu kommen.

Letztes Jahr wollten wir eigentlich ein ferneres Ziel anpeilen, dass zur Sommersonnenwende ohnehin ein richtiger Festort ist - die Externsteine. Dies klappte jedoch nicht, da damit auch eine Übernachtung verbunden wäre. Zudem ist dort ja doch immer sehr viel los und es wird schwierig, einen Platz auszumachen, an dem nicht allzu viele Touristen herumstromern. Somit haben wir uns entschieden, ins Langfigtal an die Ahr zu fahren. Dies ließ sich gut organisieren, da es mit dem Zug gut zu erreichen ist. Allerdings spielte hier das Wetter überhaupt nicht mit und ließ uns kräftig nass werden und frieren. Für eine Sommersonnenwende war es wirklich ein reichlich nasser Tag, den wir nach der verzweifelten Suche nach einem geeigneten Platz dann unter einer kleinen Brücke an der Ahr verbrachten. Trotz allem haben wir dort campiert, eine Spirale aus Kräutern und Teelichtern gelegt und gemeinsam gegessen. Die Natur in diesem Tal ist schier beeindruckend, da der kurvige Flusslauf, die steilen Felswände, die Hänge auf den Kräuter wachsen und die schmalen Wege eine besondere Landschaft darstellen, die unter Schutz steht. Somit war die Sonnenwende 2011 dort trotz des Wetters auch ein besonderes Erlebnis.

Tempelgebäude
Dieses Jahr waren wir wieder zu dritt und ich schlug vor, diesmal an einem alten Tempelbezirk in der Nähe von Aachen zu feiern. Es handelt sich um das Varnenum, ein gallo-römischer Tempelbezirk, dessen Mauern z. T. wieder rekonstruiert sind und der wesentlich größer war als der Matronentempel. Die Anlage liegt etwas am Hang und bietet somit auch einen Rundumblick. Somit fuhren wir morgens von Köln los um in Aachen Rothe Erde in den Bus zu steigen. Von dort aus brauchten wir noch über eine halbe Stunde, bis wir den Tempel erreichten. Der Fußmarsch war jedoch nicht lang und wir sahen den Tempel bereits von der benachbarten Straße.

Die Landschaft drumherum ist von Landwirtschaft geprägt. Um den Tempel herum weiden viele Kühe, die dem ganzen einen gemütlichen Touch geben. Der Tempel jedoch hinterlässt schon beim Ankommen eher einen wilden Eindruck. Überall wächst das Gras aus den Mauern - hoch hinaus - als wollte es einem direkt zeigen, dass das hier pure Vergangenheit ist und kaum noch im wissenschaftlichen Interesse steht. Die Rasenflächen drumherum sind jedoch gemäht und die beiden größeren Abschnitte des Tempels sind über die breiten Steintreppen auch begehbar. Allein die Steintreppen wirken im Vergleich zum Matronentempel pompös, man kann sich bildhaft vorstellen, wie groß die Gebäude gewesen sein müssen und welche großen Säulen die Gebäude zierten. Natürlich habe ich mich vorher bereits über die Anlage informiert und auch Bilder gesehen, die die ursprüngliche Form der Gebäude zeigen. Die Römer waren für mich bereits solche Baukünstler, dass es traurig ist, zu lesen, dass Steine dieses Tempels später für eine Kirche verwendet wurden. Hier zeigt sich wieder einmal der Wandel der Bedeutung vom Heiden- zum Christentum.

Doch es scheint so, als wüssten viele der Besucher, die wir an diesem Tag beobachten konnten auch heute kaum, um was es sich bei diesen Mauern handelt. Sie sitzen verstreut auf der Wiese oder auf den Mauern und rauchen. Lassen ihre Zigarettenstummel einfach liegen, ebenso Bierflaschen. Zudem gehen viele Hundebesitzer mit den Tieren über das Gelände und hinterlassen dort unappetittliche Spuren. Beim Ausrichten unseres Medizinrades müssen wir schon aufpassen, dass wir nicht in einer dieser Häufchen treten.

Doch für das Aufstellen eines solchen Medizinrades erweist sich das Gelände trotz allem als ideal, da es kurzgemäht ist und relativ eben. So platzieren wir die Mitte, in der wir zu Beginn und Ende des Rituals auch sitzen, großflächig in die Mitte des Tempelgeländes. Drumherum markieren wir zunächst mit Steinen die vier Himmelsrichtungen, die das Grundgerüst eines jeden Medizinrades darstellen. Natürlich haben die vollständigen Medizinräder aus der indianischen oder sibirischen Kultur bis zu 40 Steine mit weiteren unterschiedlichen Bedeutungen. Doch dies ist für unser Medizinrad erstmal nicht nötig. Wie ich aus einem Buch gelernt habe, spielen die Himmelsrichtungen und die Mitte die größte Rolle, da sie mit uns selbst am meisten zu tun haben. Alles andere baut auf dieses Grundgerüst auf.

Medizinrad-Skizze
Somit zeige ich anhand einer Skizze, wie das Ganze aufgebaut ist und stelle weitere Analogien wie der Tagesablauf, der Jahresablauf oder die Lebensalter vor, die sich im Medizinrad gut darstellen lassen. Auch die Elemente werden den Himmelsrichtungen und bestimmten Phasen, sowie auch den Jahreskreisfesten zugeordnet. Die Mitte hingegen ist der Platz, an dem nichts mehr bewertet wird. Wie ein Ausguck kann ich hier alles überblicken und schauen, wo ich stehe.

Wir starten somit in der Mitte mit der Verdeutlichung der Elemente, die zu unserem Kreis gehören und mit einer Atemübung, die uns ein wenig erden soll. Die Sonne strahlt zwischendurch immer wieder vom Himmel, aber weil Wolken und Wind die Wärme verdrängen, spüren wir davon nichts. Wir starten unsere Reise durchs Medizinrad im Osten, dort wo alles beginnt. Hier stelle ich aus dem Tarot die Karte "Der Narr" auf, da er die Eigenschaften des Ostens gut verkörpert. Zu Beginn gibt es erstmal eine Richtung, die alles nimmt und wir haben noch einen gewissen Überblick. Wir können gewisse Dinge planen und uns an dem, was wir bis jetzt wissen, orientieren. Dazu gehört jedoch auch Mut und Vertrauen, dass sich die Dinge so entwickeln, wie wir uns das wünschen. Das gilt insbesondere für richtige Neustarts. Wir sprechen über dieses Thema, legen Gegenstände ab, die uns mit dem Osten verbinden, suchen Tiertotems heraus, die dazu passen und nehmen die Eindrücke mit zu unserer nächsten Station, dem Süden.

Der Süden
Im Süden wird es natürlich sehr geschäftig und sehr warm, den wir sind im Mittag angekommen. Am Punkt der höchsten Aktivität erkennen wir Situationen, die mit diesem Thema zu tun haben und erkennen auch, wieviel Aktivität für unser Leben gesund ist und wo wir unsere Grenzen spüren. Wir suchen nach Möglichkeiten der Ruhe, die zwischendurch nötig ist und wenn diese Gelegenheiten auch noch so klein sind. Wir räuchern ein wenig und stellen Kerzen auf, um die Feuerenergie nochmal deutlich zu machen. Hier stehen nun "Die Kraft" und "Die Sonne" als Tarotkarten vor uns, die den Süden verkörpern.

Doch natürlich lassen wir uns vom Süden nicht "verbrennen". Wir wandern weiter Richtung Westen, in die Phase des Nachspürens und Reflektierens. Mit dem Westen ist der Abend und eben auch der Feierabend verbunden. Wir nutzen diese Station für ein Gespräch, um auch Bilanz über das Jahr zu ziehen. Die erste Jahreshälfte ist bereits verstrichen und jeder von uns hat - mehr oder weniger - eine Menge erlebt und neue Erfahrungen gemacht. Auch mir wird bewusst, was ich da eigentlich alles durchgemacht und hinter mich gebracht habe. Es war eine schwere erste Jahreshälfte, die ich doch gemeistert habe und froh bin, dass sich viele Dinge gut entwickelt haben. Ich erläutere auch zudem, dass der Westen auch mit Abschied verbunden wird. Dinge werden beendet. Bildhaft sehe ich dabei den Hafen der Elben in Herr der Ringe vor mir, auch "Grey Havens" genannt, an dem die Elben von Mittelerde in den Westen, irgendwo ins Nirvana segeln.

Mit unserer Weiterreise nimmt jegliche Aktivität ab. Der Norden ist unsere letzte Station, so wie er auch unsere letzte Lebenszeit darstellt. Er verkörpert Stille und die Ausrichtung nach innen. Materielle Dinge, Aktivitäten, bewusstes Handeln spielen nicht mehr eine so große Rolle. Der Norden ist der Winter, die Ruhezeit. Die Zeit zwischen den Jahren, wenn das Rad stillsteht. Für jeden von uns ist der Norden die Zeit nach einem großen Projekt, nach einer Trennung, zwischen zwei Lebensphasen. Der Norden kann aber auch Kraftort für uns sein, ein Moment der Entspannung, ein Hobby, das wir gerne ausüben, das uns zur Ruhe kommen lässt. Wir fragen uns, wo unsere Kraftorte sind und ob wir sie genug nutzen können. Es ist interessant zu hören, welche Ähnlichkeiten sich ergeben, aber auch, welche unterschiedlichen Definitionen wir für Ruheorte und Ruhepunkte haben. Auch wenn diese Station von einem Wort namens "ENDE" umgeben ist, wird sie doch von meinen Freundinnen als angenehm empfunden. Rückzug ist nicht immer etwas Negatives. Wir erleben, dass daraus wieder neue Kraft entsteht, die das Rad des Lebens erneut in Bewegung bringt.
Der Norden

Somit gehen wir am Schluss noch einmal zurück in die Mitte und überblicken jetzt noch einmal alle Stationen. Wir überlegen, wo wir uns positionieren können, was meinen Freundinnen und mir zunächst schwer fällt. Und doch finden wir klare Worte dafür. Mit einer Übung zur Aufhebung der Gegensätze beenden wir die Medizinradreise und lassen erstmal alles so liegen.

Mit einem schönen Essen innerhalb der Tempelmauern schließen wir den Tag ab. Wir machen abschließend noch ein gemeinsames Foto von uns und räumen alle Dinge wieder ein. Der Tempel ist währenddessen schon längst wieder von trinkenden Leuten belagert, von denen wir uns aber nicht stören lassen. Inzwischen habe ich mich nach all den Jahren an Störenfriede und Spaziergänger gewöhnt und nur dann, wenn es zu störend wird, versuche ich, mit den Leuten zu reden. Es sind nun mal öffentliche Plätze, an denen wir feiern und jeder hat das Recht, sich dort aufzuhalten. Schade ist letztlich nur, dass es am Varnenum keine Informationsmöglichkeit für die Besucher gibt. Der Zugang zum Gelände ist durch eine Straße erreichbar, aber kein Informationsschild weist auf die historische Bedeutung dieser Anlage hin. Am Matronentempel in Nettersheim hingegen steht eine große Infotafel für Besucher und das Ganze ist gut ausgeschildert. Trotzdem ist auch hier der Verfall der rekonstruierten Mauern und der unsachgemäße Umgang mit dem Bau schon deutlich zu erkennen.

Mir ist am Ende des Tages klar: Wir sind in dieser Gegend sehr reich beschenkt mit den Funden unserer Vergangenheit. Es gibt noch soviel zu entdecken und doch wissen es viele einfach nicht zu schätzen. Es wäre schön, wenn sich daran noch etwas ändern würde.

Mit diesem Tag habe ich versucht, auch das Medizinrad greifbar zu machen. Es ist keine komplizierte indianische Konstruktion, sondern eine Orientierungshilfe, die jeder in sich trägt. Es war eine gute Entscheidung, dieses Rad zur Sonnenwendzeit aufzustellen, weil Entscheidungen und Handlungen gerade jetzt besonders deutlich werden und wir im Allgemeinen im Sommer aktiver sind. Ich hoffe, dass ich noch mit einigen Menschen auf verschiedene Art und Weise solche Medizinräder bauen kann, denn es kann enorm helfen, viele Aspekte deutlich zu machen.